Probefahrt e-Golf (190)

oder: Notlösung wenn man seine Vorführwagen verkauft…

Auf der Suche nach einem 2017er e-Golf für eine Probefahrt sind wir in Kassel zwar nicht fündig geworden, da das dortige Autohaus den Vorführer direkt verkauft hat. Ob das so eine kluge Strategie ist wage ich mal zu bezweifeln, aber sei es drum. Die Gebrauchtwagenabteilung des Autohauses hatte jedoch einen 2015er e-Golf auf dem Hof, den wir testen konnten.

Die Unterschiede sind schnell aufgelistet: der 2017er Wagen hat mehr Leistung (100 kW statt 85 kW), mehr Akku (35,8 kWh statt 24,2 kWh), kann 150 statt 140 km/h schnell fahren, und die Infotainment-/Assistenzsysteme wurden modernisiert.

Unterm Strich sollte also auch das alte Modell einen guten Eindruck vom e-Golf an sich vermitteln, der auf das neue Modell übertragbar ist. Daher haben wir uns für eine Probefahrt entschieden. Auf dem Weg zur Probefahrt sind wir noch am SVG Autohof Lohfeldener Rüssel bei Kassel zum Frühstück eingekehrt, und haben uns bei der Gelegenheit mal die dortigen Ladesäulen angeschaut. Dabei sind wir auch direkt mit einem „tankenden“ Zoe-Fahrer ins Gespräch gekommen. Er hat uns vom e-Golf eher abgeraten, mit der Begründung dass das Laden mit Wechselstrom viel langsamer ist als mit der Zoe. Das zweite Argument war der Preis, den er für zu hoch hielt. Nach der sehr netten Unterhaltung sind wir dann zum Autohändler gefahren.

Dort angekommen zeigte sich der übliche Klassenunterschied zwischen Neu- und Gebrauchtwagenverkauf. Statt eines Glaspalastes saß der Verkäufer in einem der üblichen Container-Büros hinten auf dem Hof. Er hatte auch viel zu tun, daher wurden wir direkt ohne weitere Umschweife mit dem Wagen auf Tour geschickt.

Wie schon bei der Probefahrt mit dem Ioniq waren die ersten Meter wieder sehr faszinierend. Die Bedienung des Autos gab keine großen Rätsel auf, ein Golf ist halt ein Golf. Über das Thema Rekuperation und wie sie beim Golf gesteuert wird hatten wir uns im Vorfeld schon schlau gemacht.

Nachdem der Ioniq hat einen durchaus positiven Eindruck hinterlassen hat zeigte sich im Vergleich das man bei der Verarbeitung und den Materialien gegenüber einem Golf durchaus Abstriche machen muss.

Die Probefahrt war, wie es fast schon zu erwarten war, unspektakulär im positiven Sinne. Der Wagen lief gut, die Beschleunigung führte zum typischen Kopfnicken und Grinsen, alles wie es bei einer Fahrt mit einem Elektroauto sein soll.

Was haben wir bei der Probefahrt, gerade im Vergleich zum Ioniq, gelernt?

  • Das Fahren mit dem Golf ist entspannter. Der Wagen ist innen deutlich leiser, offenbar bedingt durch die gleiche Dämmung wie bei den Verbrennern.
  • Für die volle Motorleistung muss man nicht in den Sportmodus wechseln, sondern hat sie im „Normalmodus“ schon verfügbar. Ein großer Vorteil gegenüber dem Ioniq, der im Sportmodus SEHR nervös auf das Gaspedal reagiert. Beide Autos bieten 3 Stufen: Sport vs. Normal, Normal vs. Eco, Eco vs. Eco+
  • Beim Eco+ Modus des e-Golfs hat man den Eindruck „jetzt ist was kaputt“. Die Motorleistung wird so massiv gedrosselt das man unwillkürlich nach den Pedalen für den Flintstone-Antrieb sucht.
  • Die Reichweitenanzeige im e-Golf (2015) ist erschreckend. Über die gleiche Skalenbreite, die bei einem Diesel für 800-900km gut ist, geht es beim e-Golf (2015) nur über 150-160km. Man kann der Anzeige beim Fallen zusehen.
  • Die hellgrauen Komfortsitze vom e-Golf sind bequem, und bieten erwartungsgemäß nicht den Seitenhalt wie Sportsitze. Unterm Strich ist es aber ok, nur die Farbe gefiel uns überhaupt nicht.
  • Verarbeitung/Materialien klar besser als im Ioniq.
  • Das Navi im e-Golf ist deutlich besser (Geschwindigkeit, Qualität der Ansagen).
  • Der e-Golf hat eine Zwei-Zonen Klimaanlage, mit automatischer Deaktivierung der Beifahrerseite wenn da keiner sitzt (vs. manueller Abschaltung im Ioniq, der auch nur einer Zone hat).
  • Das starke Rekuperieren im „B“ Modus erschien uns in der Bedienung stimmiger als die Paddels im Ioniq.

Auf der Probefahrt hatten wir einem Verbrauch der nur minimal über dem Ioniq lag. Damit waren wir schon durchaus zufrieden.

Der Vorführwagen hatte weder Wärmepumpe noch die CCS Schnelllade-Buchse verbaut, und war alleine deswegen schon ein „No Go“. Generell würde ich vom alten Modell abraten – die Lademöglichkeiten für daheim sind sehr langsam (nur einphasiges Laden mit 3,6 kW), die Sitze finden wir hässlich, und die Akkureichweite ist, gerade im Winter, dann doch ein sehr limitierender Faktor. Gerade ohne Wärmepumpe kann man sich dann auf unter 100 km Reichweite einstellen.

Der e-Golf an sich hat aber absolut überzeugt. Auch wenn immer gesagt wird es sei kein „richtiges“ Elektroauto – was bitte macht denn ein „richtiges“ Elektroauto aus? Natürlich kann man argumentieren das man mit einem von Grund auf als Elektroauto geplantem Fahrzeug mehrere Vorteile hat. Gerade im Innenraum kann man viel Platz gewinnen, da man eine bessere Raumaufteilung umsetzen kann, und auch Dinge wie der Mitteltunnel nicht benötigt werden. Ein Auto, was es auch als Verbrenner/Hybrid gibt ist an der Stelle natürlich immer ein Kompromiss.

Beim e-Golf hat Volkswagen diesen Spagat meiner Meinung nach aber sehr gut hinbekommen. Dort wo „normal“ der Mitteltunnel und der Tank des Fahrzeuges sind steckt der Akku, man verliert nur ganz minimal Platz im Kofferraum. Selbst der doppelte Kofferraumboden mit zusätzlichem Stauraum ist erhalten geblieben.

Der Ansatz von VW war offenbar: die neue Technik so simpel wie möglich zu integrieren, um die Fahrer nicht zu „verschrecken“ oder zu „überfordern“. Das ist absolut gelungen, auch ohne spezielle Elektromobilisten-Fahrweise ist der e-Golf ziemlich effizient unterwegs. Die Bedienung gibt keine Rätsel auf, genau wie bei einem klassischen Golf mit Verbrennermotor.

Unterm Strich profitiert der e-Golf davon, dass der Golf 7 schon seit 5 Jahren am Markt ist. Die Kinderkrankheiten im Bereich Verarbeitung, Karosserie usw. sind ausgemerzt, der Wagen macht einen sehr ausgereiften Eindruck. Und da die gleiche Karosserie, die gleichen Scheiben und die gleiche Dämmung wie bei einem normalen Golf verwendet werden ist der Wagen im Fahrbetrieb sehr leise und angenehm zu bewegen.

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