oder: wie man das zarte Pflänzchen Ladeinfrastruktur ratzfatz kaputt macht
Tja, Satz mit X. Bis vor ein paar Tagen war ich guter Dinge. Der e-Golf hat die 6.000 km geknackt, nahezu jede Fahrt die nicht mein Arbeitsweg ist haben wir mit dem Wagen zurückgelegt. Das elektrische Autofahren macht immer noch großen Spaß, und es entstanden in der Zwischenzeit noch Autobahn-Schnelllader an zwei für uns strategisch wichtigen Punkten. Generell ist das Netz an Schnellladern an den Tank&Rast bzw. Serways Autobahnraststätten fast komplett, also sind auch Langstrecken entlang der Autobahnen bequem möglich.
Es könnte also alles super sein, bis zu dem Zeitpunkt an dem sich Tank&Rast (oder innogy?) entschlossen haben ihre Schnelllader kostenpflichtig zu machen.
Und bevor ihr das jetzt in den falschen Hals bekommt – wir haben kein Problem damit unseren Strom zu bezahlen, ganz im Gegenteil.
Aber so wie das gerade läuft? Gut, fangen wir vorne an.
Es ging letzte Woche mit den ersten Postings im GoingElectric Forum los. Einzelne Benutzer berichteten von einer Push-Nachricht, die ihnen die eCharge App von innogy präsentierte. Inhalt: Die Schnelllader wären ab heute kostenpflichtig. Das ist ein denkbar ungeschickter Weg die Kunden zu informieren, sowohl zeitlich (etwas mehr Vorlauf wäre schön) als auch technisch (ich verbiete Apps in der Regel mir irgendwelche Benachrichtigungen zu schicken, oftmals nerven die mehr als sie nützen).
In den folgenden Tagen war dann das reinste Chaos im Forum zu beobachten. Einige Elektromobilisten sind bös erwischt worden und gestrandet, Roaming mit etablierten Ladekarten die an den üblichen Typ2 Ladesäulen von innogy nutzbar sind funktioniert nicht.
Mittlerweile hat sich folgendes Bild herausgestellt:
- Die von EnBW betriebenen Ladesäulen auf Tank und Rast Raststätten sind weiterhin kostenpflichtig. Waren sie schon immer, ist auch ok. Es gibt einen fairen Kurs fürs Laden mit Kreditkarte, eine Pauschale pro Ladevorgang. Auch Roaming mit verschiedensten Ladekarten geht. Meine Hoffnung war das alle Tank und Rast Ladesäulen dann einheitlich auf dieses System umgestellt werden.
- An den von innogy betriebenen Ladesäulen auf Tank und Rast Raststätten gilt das leider nicht. Freischalten ist ausschließlich über die eCharge App von Innogy möglich. Haste kein Netz? Leider verloren. Haste kein Android oder Apple Smartphone? Auch verloren. Ok, gerüchteweise kann man sich das ganze auch telefonisch über die Hotline freischalten lassen, aber auch dazu braucht man a) Netz und b) die Zeit und Geduld das auch zu tun.
- Die an den innogy Säulen vorhandenen Kartenleser sind nicht aktiv. Selbst wenn sich innogy und Volkswagen einigen, und dann ein Roaming mit Volkswagens Charge&Fuel möglich wäre, ist man darauf angewiesen das die Ladesäulen in die Charge&Fuel App eingepflegt werden. Und wie es bei VW und IT so ist: das dauert ewig.
- Kommunikation von innogy bzw. Tank und Rast fand quasi nicht statt.
- Die Preise die für das Laden via Kreditkarte oder Paypal (was man auch jeweils erstmal in der e-Charge App hinterlegen muss) sind gesalzen. Und wer weder Kreditkarte noch Paypal hat (solls ja auch geben), der ist komplett gekniffen.
Mal ein Rechenbeispiel. Will ich ohne Laufzeitvertrag eine innogy Schnellladesäule nutzen, dann kostet mich das 37ct pro Minute. Laut Berichten im Forum muss ich die Ladezeit vorab wählen, in 10 Minuten Schritten. Es werden also 3,70€ pro 10 Minuten fällig.
Im Optimalfall läd der e-Golf mit 40kW, in 10 Minuten komme ich also auf 6,7kWh die ich laden kann. Macht 55ct pro kWh. Also fast das Doppelte von den Stromkosten daheim. Ich will da jetzt nicht lange über meine Strompreise, deren Strompreise als Großabnehmer, die Installations- und Betriebskosten der Säulen philosophieren – wie ich oben schon schrieb: wir haben prinzipiell kein Problem für den Strom zu zahlen. Auch wenn es im Rahmen bleiben sollte, 55ct pro kWh finde ich schon sehr hoch. Und das ist ja auch noch nicht alles.
Ein Ioniq kommt z.B. dank schnellerer Ladetechnik auf 8.4kWh in 10 Minuten, zahlt also nur 45ct pro kWh. Wenn es draußen kalt, oder der Akku zu warm ist, dann sinkt die Ladegeschwindigkeit auch bei allen Fahrzeugen. Genau so bei nicht ganz leerem Akku – ein Ampera E bricht sehr früh ein, bei 60% Akkukapazität wenn ich es richtig im Kopf habe. Der e-Golf läd etwas länger mit voller Geschwindigkeit, ein Ioniq noch etwas länger als der e-Golf.
Ihr seht, die Ladegeschwindigkeit hängt von vielen Faktoren ab, da kann man bei einem zeitbasierten Tarif fast nur verlieren. Und als Sahnehäubchen kommt noch das 10 Minuten Raster dazu. Ich kann nicht mehr sagen „ich lade bis 80% und fahre dann weiter“, sondern muss unter Umständen entweder schon bei 70% abbrechen um nicht die nächsten 10 Minuten starten zu müssen. Und ob ich dann die nächste Ladesäule noch sicher erreiche? Und ob ich das vorab einschätzen kann, ob ich jetzt 10, 20 oder 30 Minuten Ladezeit auswählen muss?
Also ist in den letzten Tagen die Ladeinfrastruktur für Langstrecken von „super, man kann fast überall laden, Langstrecken sind kein Problem“ zu „überleg dir das mit dem e-Auto nochmal, da ist gerade Chaos hoch 10“ geworden.
Auch die Faustregel „hol dir ne Newmotion Karte, nen Plugsurfing Schlüssel, vielleicht noch die günstige Ladekarte deines Autoherstellers und du kommst überall durch“ kann man getrost in die Tonne treten.
Der Plan von Tank und Rast geht, zumindest was uns angeht, nach hinten los. Galt bis letzte Woche noch: „entweder kostenlos oder zu nem fairen Pauschaltarif per Kreditkarte“ muss man jetzt erst wieder nachforschen wer jetzt die Säule betreibt, zu welchen Konditionen und wie man damit klar kommt. Und im Zweifelsfall sucht man sich Alternativen, selbst die früher sündhaft teuren Allego Säulen sind jetzt wieder gut im Rennen. Ob das im Sinne des Erfinders ist?
Gerade bin ich jedenfalls recht froh das wir noch den A3 TDI im Haus haben. Momentan ist er auf Langstrecke wieder die erste Wahl, so traurig wie es ist.
Diese Aktion von Tank und Rast bzw. innogy wirft die Elektromobilität um Jahre zurück, gerade wo man dachte das Ladekartenchaos von dem die Früheinsteiger am Lagerfeuer erzählen wäre überwunden.
Dem ist leider nichts mehr hinzuzufügen.
Innogy/Tank&Rast haben hier kommunikationsmässig und preislich völligen Mist gebaut.
Ich habe auch kein Problem zu bezahlen, aber bitteschön zu fairen Konditionen (Abrechnung nach genutzter Menge und nicht nach Zeit und bitteschön zu fairen Preisen).
Dann werde ich auch zum Säulenverweigerer, zumindest was innogy angeht.
Zum Glück bezahle ich zu hause 22 ct pro kwh und habe einen 60 kWh nutzbarren Akku.
Ich bin hier absoluter Neueinsteiger, aber warum kann an den Ladern nicht mit Maestro Karte zahlen wie nebenan bei den Benzinern auch? Da pro Liter, für Strom pro kWh…und ja, günstiger als 55 CT/kWh wäre schon nett…
Weil es zu einfach und offensichtlich wäre. Nein, im ernst, das kann dir wahrscheinlich keiner sagen. Leider.
Naja, Maestro ist außer in DE nicht gerade weit verbreitet, da sollte dann schon der Kartensupport auch „richtige“ Karten wie Mastercard/Visa umfassen. Alle haben aber gemeinsam, dass sowas als Zahlungsverkehr gilt und strengen Regularien (PCI-DSS) unterworfen ist. Da die Ladesäulen meist weder überwacht noch technisch mit ernsthaften Sicherheitsmaßnahmen versehen sind versuchen die Anbieter über die Nutzung solcher Apps und virtuellen Konten die Sicherheitsvorgaben von den Ladesäulen fernzuhalten und diese entsprechend nur einmalig für die App-Zahlfunktion erfüllen zu müssen.
Zur Abrechnung empfehle ich den Ladeinfrastruktur-Vortrag des 34c3 (https://media.ccc.de/v/34c3-9092-ladeinfrastruktur_fur_elektroautos_ausbau_statt_sicherheit): Die internen Zähler sind üblicherweise nicht geeicht, daher ist eine Abrechnung nach kWh nicht zulässig. Warum man nicht Minutengenau, ggf. mit einem Maximum um Parker zu vertreiben, abrechnet ist mir allerdings auch ein Rätsel.
…weil auch die Zeiterfassung geeicht sein müsste – was sie nicht ist.
Hab ich das jetzt richtig verstanden, dass an den Tank&Rast Ladesäulen jetzt weder NewMotion noch Plugsurfing funktionieren?
Wie schon mehrfach gesagt, mit Bezahlen hätte ich kein Problem, aber es sollte möglichst einfach funktionieren. Ich will nicht erst 50 verschiedene Karten bestellen/Apps installieren, wenn ich mal ne längere Strecke fahre…
Solange sich dieser Nebel nicht lichtet, fahre ich mit meinem i3 nur noch Distanzen, die hin und zurück mit einer Ladung zu managen sind. Für alles andere nehme ich den Zug oder miete mir einen Verbrenner…